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Papa der Held

„Lob für Selbstverständlichkeiten“

Warum Männer sich oft wie Helden fühlen, wenn sie Care-Arbeit leisten

Kurz nach der Geburt unserer Tochter im Frühjahr 2017 zogen wir an die Ahr, nach Mayschoss. Damals war ich überzeugt, in ein konservatives Winzerdorf gezogen zu sein: geformt vom Weinbau, traditionellen Familienstrukturen und tief katholischen Weltbildern. Ich, gerade Vater geworden, hatte große Pläne. Ich wollte ein Familiencafé in einer ehemaligen Kneipe eröffnen, kannte noch niemanden und glaubte fest daran, frischen Wind ins Dorf zu bringen.

Warum? Weil ich „anders“ war. Ich war Hausmann. Meine Frau ging arbeiten und verdiente das Geld, während ich mich um unsere Tochter kümmerte.

Ich fühlte mich modern, ja fast rebellisch. Und jedes Mal, wenn ich unsere Tochter im Kinderwagen durch die Gegend schob, wartete ich insgeheim auf Anerkennung. Ich wartete auf Lob. Ich wollte, dass mir jemand auf die Schulter klopft und sagt:
„Mensch, das machst du gut!“
„Du bist ein toller Kerl, weil du dich um dein Kind kümmerst!“

Lob. Für etwas, das selbstverständlich war.

Heute, sieben Jahre später, finde ich das fast schon komisch – wenn es nicht so bezeichnend wäre. Denn ich weiß: Es geht nicht nur mir so. Vielen Männern geht es genauso. Sie erwarten Lob für Aufgaben, die Frauen tagtäglich erledigen – ohne jemals Anerkennung zu erfahren.

Heute weiß ich, wie absurd diese Erwartung war. Aber sie ist kein Einzelfall. Viele Männer denken, sie tun etwas Besonderes – und das sagt viel über uns und die Gesellschaft aus, in der wir leben.

1. Meine Rolle als Vater und Hausmann – warum ich Lob erwartet habe

Persönliche Prägung:
Mein Vater war ein Selfmade-Mann. Er bewirtschaftete einen Hof, studierte und baute später eine Firma auf. Er war immer unterwegs. Für ihn war klar: Geld verdienen war seine Aufgabe. Alles andere – Haushalt, Erziehung, Pflege – fiel meiner Mutter zu.

Meine Mutter tat, was viele Frauen tun: Sie trug die unsichtbare Last und den sichtbaren Haushalt, während mein Vater die Versorgerrolle lebte. Wenn sie sich alle paar Jahre mal eine Auszeit nahm, zeigte sich schnell, wie wenig selbstverständlich ihre Arbeit war. Mein Vater, allein mit uns drei, später vier Kindern, war überfordert. Der Haushalt lief nur schleppend, und vieles geriet aus dem Ruder.

Als ich meinen Eltern irgendwann erzählte, dass ich Hausmann und Vollzeitvater werden wollte, war die Reaktion vorhersehbar. Für meine Familie war und ist es schwer nachvollziehbar, warum ich mich bewusst für diese Rolle entschieden habe. Schließlich war ich „der Mann“.

Wie fühlte es sich an, diese Rolle zu verlassen?
Trotzdem war es eine klare, bewusste Entscheidung. Ich wollte kein abwesender Vater sein. Ich wollte präsent sein – nicht nur in kurzen Momenten, sondern im Alltag, der oft unsichtbar bleibt.

Haushalt? Kochen? Putzen? Kinder erziehen? Für mich war das nie ein Problem. Meine Mutter hat uns drei Jungs und später auch meine Schwester früh dazu erzogen, diese Dinge zu können. Ab unserem 13. Lebensjahr mussten wir bügeln, waschen und nähen lernen. Für meine Mutter gehörte das zur Lebensführung, für uns war es selbstverständlich.

Aber als ich diese Entscheidung traf und sie öffentlich machte – vor allem auf meiner damaligen Arbeit – wurde mir bewusst, wie „anders“ ich damit war. Meine Kollegen hielten das für eine absurde Idee: „Hausmann? Auf gar keinen Fall.“ Care-Arbeit? Ja, sie muss gemacht werden – aber bitte von jemand anderem. Nicht von ihnen. Nicht von Männern.

Dann zogen wir in ein kleines Dorf an der Ahr. Ich war Hausmann in einer Umgebung, in der Care-Arbeit fest in Frauenhänden lag. Während ich sehr langsam die Kneipe renovierte und zu einem Cafe umbaute, ging ich regelmäßig mit meiner Tochter im Kinderwagen spazieren. Es war klar, dass ich auffiel – nicht negativ, aber auch nicht ganz „normal“. Für viele Menschen im Dorf war das neue Bild ungewohnt ich war zugezogen, jung, und anscheinend arbeitslos, weil das Cafe war ja noch nicht auf, das ging mit einem kleinen Baby in der Renovierung nur langsam voran. Meine Frau ging arbeiten, natürlich kümmerte ich mich entsprechend um das Kind. Das dass aber eine klare Entscheidung zwischen meiner Frau und mir war, war, wenn ich dann mal drauf angesprochen wurde, mindestens seltsam, aber gut, ich war ja auch von woanders.

Das Unbewusste hinter meiner Erwartung:
Damals dachte ich, ich würde etwas Besonderes tun. Nicht aus Stolz, sondern aus einem Gefühl der Unsicherheit. Meine Prägung und mein Umfeld hatten mir vermittelt, dass ein Mann, der Care-Arbeit leistet, „anders“ ist – und dieses Anderssein wollte ich bestätigt wissen. Ich wartete darauf, dass jemand auf mich zukommt, mir auf die Schulter klopft und sagt: „Mensch, das machst du gut!“

Im Rückblick erkenne ich: Diese Erwartung kam nicht aus Selbstbewusstsein, sondern aus der Frage, ob mein Weg der richtige war. Ich wollte Bestätigung für eine Rolle, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Heute sehe ich, wie absurd das war. Care-Arbeit ist keine Heldentat – sie ist einfach Teil des Lebens.

2. Wenn Väter Helden sind und Mütter unsichtbar bleiben

Die gesellschaftliche Brille:
Care-Arbeit – also Kindererziehung, Haushalt und emotionale Arbeit – wurde historisch als „weibliche Aufgabe“ definiert. Diese unsichtbare Last war (und ist) Teil des Lebens von Frauen, während Männer in der öffentlichen Sphäre durch Erwerbsarbeit „Glanz und Anerkennung“ fanden.

Wenn Männer heute Care-Arbeit übernehmen, wird das immer noch als „außergewöhnlich“ wahrgenommen. Sie fallen scheinbar aus ihrer traditionellen Rolle heraus – und das erzeugt Beifall. Es wirkt, als müssten Männer für etwas gelobt werden, das Frauen seit Jahrhunderten unsichtbar und oft unbezahlt leisten.

Das „Heldentum“ der Männer:
Die Anerkennung für Männer, die Care-Arbeit leisten, fällt oft übertrieben aus. Typische Sätze, die ich auch damals im Hinterkopf erwartete – oder die man oft hört:

  • „Wow, er kümmert sich um sein Kind!“
  • „Das ist aber ein toller Mann, der hilft seiner Frau!“

Solche Aussagen sind gut gemeint, aber sie offenbaren das Problem:
Care-Arbeit wird bei Männern als etwas Besonderes betrachtet – nicht als etwas Selbstverständliches.

Warum diese Erwartung toxisch ist:

  • Sie verstärkt traditionelle Rollenbilder. Wenn ein Mann für die gleiche Arbeit gelobt wird, die Frauen täglich leisten, zementiert das die Vorstellung, dass es bei Frauen „normal“ und bei Männern „bewundernswert“ ist.
  • Sie hält Frauen unsichtbar. Während der Vater Applaus bekommt, bleibt die Mutter, die schon lange diese Aufgaben stemmt, unsichtbar. Ihre Arbeit wird weder gesehen noch gewürdigt.

Ein Beispiel aus dem Alltag:
Stell dir eine Mutter vor, die ihr Kind von der Schule abholt, danach kocht, die Wäsche macht und den Abend mit Basteln verbringt. Niemand sagt: „Wow, sie ist eine Heldin!“ – es ist selbstverständlich.

Wenn ein Vater das Gleiche tut, bekommt er plötzlich Anerkennung: „Du bist ja ein echter Super-Dad!“ Dieser Unterschied mag banal erscheinen, doch er zeigt, wie tief verankert unsere Rollenbilder sind. Männer werden für Selbstverständlichkeiten gelobt, während Frauen sie ohne jedes Schulterklopfen leisten.

Die Folge:
Dieses übertriebene Lob für Männer, die Care-Arbeit übernehmen, mag im ersten Moment wie Fortschritt wirken – in Wahrheit aber verstärkt es die Ungleichheit:

  • Männer bleiben in der Sonderrolle, die „Heldenstatus“ genießt.
  • Frauen bleiben in der Pflichtrolle, die kein Lob verdient.

Was wir ändern müssen:
Wir müssen aufhören, Care-Arbeit bei Männern zu dramatisieren. Care-Arbeit ist notwendig – unabhängig davon, wer sie leistet. Sie verdient die gleiche Anerkennung für alle. Wenn wir wirklich Gleichberechtigung wollen, dürfen wir Männer nicht für das loben, was Frauen schon lange still und selbstverständlich tun.

Der doppelte Standard

Während Männer für Care-Arbeit oft als „moderne Helden“ gefeiert werden, leisten Frauen dieselbe Arbeit – jeden Tag, meist unsichtbar. Sie ziehen die Kinder groß, schmeißen den Haushalt, kümmern sich um mentale und emotionale Aufgaben – und das alles ohne Applaus. Es ist schlicht „ihr Job“.

Unsichtbarkeit und Abwertung:
Frauen erhalten weder Lob noch Anerkennung für diese Arbeit. Im Gegenteil: Wenn sie auf ihre Belastung hinweisen oder Anerkennung fordern, wird das oft belächelt, abgetan oder gar kritisiert:

  • „Ach, das bisschen Haushalt?“
  • „Andere kriegen das doch auch hin.“
  • „Warum stellst du dich so an? Das gehört halt dazu.“

Care-Arbeit wird bei Frauen als „natürlich“ und „erwartet“ angesehen, nicht als Leistung. Sobald sie sichtbar machen, wie viel Arbeit und Energie darin steckt, kippt die Wahrnehmung: Sie gelten plötzlich als „hysterisch“, „überfordert“ oder „anspruchsvoll“.

Der Kontrast zu Männern:
Hätte meine Frau damals für ihre Care-Arbeit die gleiche Anerkennung erwartet, die ich insgeheim erhoffte, hätte man sie wohl kritisiert.

  • Ich wurde – zumindest in meiner Vorstellung – als „modern“ und „mutig“ wahrgenommen, weil ich die Rolle des Hausmanns angenommen hatte.
  • Sie hätte man in der gleichen Situation vielleicht belächelt: „Warum erwartet sie Lob? Das ist doch normal.“

Dieser doppelte Standard zeigt, wie unterschiedlich Care-Arbeit je nach Geschlecht bewertet wird. Männer brechen aus der Norm aus und werden gefeiert. Frauen erfüllen die Norm und bleiben unsichtbar.

Die Folge:
Dieser Mechanismus hält die Ungleichheit aufrecht:

  • Männer bekommen Anerkennung für etwas, das selbstverständlich sein sollte, was ihr Engagement wiederum „besonders“ erscheinen lässt.
  • Frauen kämpfen weiter mit der Unsichtbarkeit ihrer Leistung und dem Druck, dabei keine „Dramaqueen“ zu sein.

Ein Perspektivwechsel:
Stell dir vor, Frauen würden für jede erledigte Aufgabe das gleiche Lob erwarten wie Männer. Das klingt absurd, oder? Doch genau das zeigt, wie verzerrt unsere Wahrnehmung ist:

  • Männer erhalten für Care-Arbeit einen „Bonus“.
  • Frauen arbeiten ohne Anerkennung – weil sie es „schon immer so gemacht haben“.

Wenn wir Care-Arbeit wirklich wertschätzen wollen, müssen wir den doppelten Standard durchbrechen. Anerkennung darf nicht vom Geschlecht abhängen. Care-Arbeit ist Arbeit. Punkt.

3. Warum Männer Lob suchen – und Frauen nur Augenrollen ernten

Wenn Männer Care-Arbeit übernehmen – sei es Kinderbetreuung, Haushalt oder emotionale Unterstützung – erwarten sie oft Lob und Anerkennung. Das Problem dabei: Wenn diese Anerkennung ausbleibt, entsteht das Gefühl, ungesehen oder ungerecht behandelt zu werden. Die Reaktionen können dann fast schon trotzig wirken, so als würde ein Kind schmollen, dem niemand für ein selbstgemaltes Bild applaudiert.

Typische Verhaltensweisen:

  • „Ich mache das doch schon – reicht das immer noch nicht?“
  • „Ich bekomme ja gar kein Danke dafür!“
  • „Andere Männer tun das nicht mal – warum kriege ich dafür keine Anerkennung?“

Für Frauen, die diese Arbeit tagtäglich leisten, wirkt dieses Verhalten oft wie das eines „großen Babys“. Es drängt sie in die Rolle der „anerkennenden Mutter“, die den Mann emotional aufpäppeln muss, während sie selbst unsichtbar bleibt.

Warum passiert das?
Das „große Baby“-Syndrom ist kein persönliches Fehlverhalten, sondern das Ergebnis tief verankerter gesellschaftlicher Prägung:

  1. Care-Arbeit ist für Männer ungewohnt:
    Sie wachsen oft nicht damit auf, dass diese Arbeit zu ihrer Identität gehört. Wenn sie sie übernehmen, fühlen sie sich schnell wie „Pioniere“ – und erwarten, dass das anerkannt wird.
  2. Männer sind Anerkennung gewohnt:
    In der Erwerbsarbeit bekommen Männer für Leistung oft unmittelbare Anerkennung: Beförderungen, Gehälter, Schulterklopfen. In der Care-Arbeit funktioniert das nicht so – die Arbeit ist unsichtbar, sie bleibt oft unkommentiert.
  3. Emotionale Unsicherheit:
    Viele Männer sind nicht darauf vorbereitet, wie viel mentale und emotionale Arbeit Care-Arbeit erfordert. Das Gefühl, diese Aufgaben „richtig“ oder „gut“ zu machen, fehlt ihnen, weshalb sie die Bestätigung von außen suchen.

Wie Frauen dieses Verhalten erleben

Für Frauen wirkt das Verhalten von Männern, die für Care-Arbeit Lob erwarten, oft wie eine subtile emotionale Manipulation – auch wenn es nicht bewusst oder absichtlich geschieht. Es drängt sie in eine Rolle, die sie weder einnehmen wollen noch sollten: die „anerkennende Mutter“.

Plötzlich sind sie nicht mehr die Partnerin auf Augenhöhe, sondern diejenige, die den Mann emotional „aufpäppeln“ soll, ihm das Gefühl geben muss, dass er etwas Besonderes tut. Diese Dynamik kann frustrierend sein, denn sie verändert das Miteinander:

  • Statt gleichberechtigt zu arbeiten, müssen Frauen zusätzlich die emotionale Unsicherheit des Mannes auffangen.
  • Statt sich auf den geteilten Wert der Arbeit zu konzentrieren, wird es plötzlich zur Bühne für Bestätigung – aber nur für ihn.

Der Frust der Frauen:
Für viele Frauen fühlt sich dieses Verhalten wie ein Schlag ins Gesicht an. Es verstärkt die Ungleichheit und die Unsichtbarkeit ihrer eigenen Arbeit. Ihre Gedanken könnten lauten:

  • „Ich mache das alles auch – und zwar jeden Tag. Ohne Lob. Ohne Drama.“
  • „Warum muss ich dir danken, dass du Verantwortung übernimmst? Das tue ich schon lange, und niemand sagt mir etwas dafür.“
  • „Ich bin nicht deine Cheerleaderin. Ich brauche keine Dankbarkeit für Selbstverständlichkeiten – und du solltest das auch nicht.“

Dieser Frust speist sich aus einer doppelten Belastung: Frauen müssen nicht nur die Arbeit erledigen, sondern auch den emotionalen Raum dafür schaffen, dass der Mann „anerkannt“ fühlt. Das entwertet ihre eigene Leistung und die Partnerschaft als gleichberechtigten Raum.

Das Ergebnis:
Das „große Baby“-Syndrom wirkt wie ein Rückfall in alte Rollenbilder: Der Mann übernimmt etwas Care-Arbeit und erwartet dafür übermäßige Anerkennung. Die Frau, die seit jeher die Hauptlast trägt, steht plötzlich wieder da, wo sie immer war – als die „selbstverständliche“ Care-Arbeiterin, deren Leistung unsichtbar bleibt.

Ein Perspektivwechsel:
Care-Arbeit ist ein gemeinsamer Beitrag, keine Bühne für Ego oder Lob. Wenn Männer ihre Arbeit mit der gleichen Selbstverständlichkeit tun wie Frauen, fällt der Druck weg, „gesehen“ zu werden. Das schafft Raum für echte Gleichberechtigung – und echte Partnerschaft.

4. Wie Prägung, fehlende Vorbilder und Unsicherheit das Drama befeuern

Die Dynamik, dass Männer für Care-Arbeit Lob erwarten und Frauen frustriert auf diese Ungleichheit reagieren, hat tief verwurzelte Ursachen. Sie sind nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich geprägt und zeigen, wie schwer es uns fällt, Care-Arbeit als selbstverständlich zu begreifen.

1. Gesellschaftliche Prägung:

Männer lernen früh, dass ihr Wert an Erwerbsarbeit gekoppelt ist. Sie sollen „versorgen“, „vorangehen“ und „Leistung bringen“. Arbeit außerhalb des Hauses wird dabei hoch bewertet und mit Status und Anerkennung belohnt.

Care-Arbeit hingegen ist in dieser Prägung ein blinder Fleck – sie gilt als „weiblich“, als weniger wertvoll und oft sogar als „unsichtbar“. Wenn Männer sich dieser Arbeit widmen, betreten sie für sich unbekanntes Terrain. Es fühlt sich neu und besonders an, weil sie nie gelernt haben, dass Care-Arbeit genauso wichtig und notwendig ist wie Erwerbsarbeit.

Das Ergebnis?

  • Viele Männer empfinden das, was sie tun, als außergewöhnlich, obwohl es alltäglich ist.
  • Sie erwarten für ihre „Abweichung“ von der Norm Anerkennung, die Frauen nie bekommen – und oft auch nicht erwarten dürfen.

2. Fehlende Vorbilder:

Ein weiterer Grund, warum Männer Care-Arbeit dramatisieren oder Anerkennung einfordern, ist der Mangel an männlichen Vorbildern. Es gibt immer noch zu wenige Männer, die Care-Arbeit als selbstverständlichen Teil ihres Lebens vorleben.

  • In den Medien sehen wir oft zwei Extreme: Den „Held-Vater“, der sich „opfert“, oder den Mann, der „helfen“ darf, aber nicht die Hauptverantwortung übernimmt.
  • In der Realität erleben viele Männer diese Rollenbilder in ihren eigenen Familien. Sie sehen Väter, die „nur“ arbeiten gehen, während die Mütter alles andere stemmen.

Ohne Vorbilder entsteht der Eindruck, man tue „etwas Neues“ oder „Revolutionäres“. In Wahrheit wiederholt man einfach nur das, was Frauen schon immer getan haben – allerdings ohne deren Unsichtbarkeit zu teilen.

Der Wandel braucht Normalität:
Wir brauchen Männer, die Care-Arbeit selbstverständlich übernehmen, ohne dafür ein Podest zu erwarten. Je sichtbarer diese Männer werden, desto selbstverständlicher wird die Rolle für kommende Generationen.

3. Unsicherheit und Identität:

Care-Arbeit bedeutet nicht nur physische Aufgaben wie Windeln wechseln oder Wäsche waschen. Sie bedeutet auch emotionale Arbeit: Fürsorge, Aufmerksamkeit, Geduld und die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen.

Für viele Männer ist das eine Herausforderung – nicht, weil sie dazu nicht fähig sind, sondern weil sie es nicht gewohnt sind. Sie kämpfen mit ihrem Selbstbild:

  • „Bin ich noch ein ‚richtiger Mann‘, wenn ich mich um Kinder und Haushalt kümmere?“
  • „Mache ich das überhaupt richtig? Wer sagt mir, dass ich gut genug bin?“

Diese Unsicherheit führt dazu, dass sie nach Bestätigung von außen suchen. Sie hoffen, dass Lob ihnen die Gewissheit gibt, dass sie „richtig“ handeln. Gleichzeitig zeigt es, wie wenig emotionaler Raum Männern in der Gesellschaft zugestanden wird, um Care-Arbeit zu lernen und zu leben.

Ein Fazit zu den Ursachen:
Die Erwartung von Lob und Anerkennung für Care-Arbeit ist das Resultat einer Gesellschaft, die Care-Arbeit abwertet und Männer von ihr fernhält. Sie entsteht durch:

  1. Eine Prägung, die den Wert eines Mannes an Erwerbsarbeit koppelt.
  2. Den Mangel an Vorbildern, die Care-Arbeit selbstverständlich vorleben.
  3. Die Unsicherheit, die emotionale Arbeit und das Hinterfragen des eigenen Selbstbilds mit sich bringen.

Doch genau hier liegt die Möglichkeit zur Veränderung: Wenn wir Care-Arbeit als das begreifen, was sie ist – Arbeit, die von allen gleichermaßen geteilt und wertgeschätzt wird – schaffen wir Raum für echte Gleichberechtigung.

5. Meine Erkenntnis – und was wir daraus lernen können

Persönliche Reflexion:
Heute, mit dem Abstand der Jahre, weiß ich: Meine Rolle als Vater und Hausmann war nicht außergewöhnlich. Sie war einfach notwendig und selbstverständlich.

Damals, kurz nach der Geburt meiner Tochter, hatte ich noch das Gefühl, dass ich für meine Entscheidung Anerkennung verdiene. Ich wartete darauf, dass jemand sagt: „Wow, das machst du großartig!“ – und hätte mich vermutlich schlecht gefühlt, wenn dieses Lob ausgeblieben wäre. Aber im Nachhinein erkenne ich, wie absurd das war.

Wie habe ich aufgehört, nach Lob zu suchen? Es war ein Prozess. Je mehr ich in meiner Rolle als Vater und Hausmann aufging, desto klarer wurde mir: Diese Arbeit hat keinen besonderen Applaus verdient, sondern Respekt und Wertschätzung – ganz selbstverständlich. Ich habe aufgehört, sie mit meiner Identität als Mann in Konflikt zu sehen und sie stattdessen als Teil meiner Verantwortung und meines Lebens angenommen.

Die Erkenntnis war einfach: Care-Arbeit ist Arbeit. Punkt. Sie ist notwendig, wertvoll und ein natürlicher Teil des Zusammenlebens – unabhängig davon, ob sie von Männern oder Frauen erledigt wird.

Gesellschaftliche Erkenntnis:
Was mir damals passiert ist, passiert vielen Männern: Sie betreten das „ungewohnte Feld“ der Care-Arbeit und erwarten Applaus. Diese Erwartung ist verständlich, aber sie ist Teil des Problems.

Wir müssen Care-Arbeit entdramatisieren.

  • Sie ist weder ein Grund für Heldenstatus noch für Belächeln.
  • Sie ist kein „Gefallen“ und keine Leistung, die gefeiert werden muss. Sie ist ein wertvoller und notwendiger Teil des Lebens, der selbstverständlich geteilt werden sollte.

Männer sollten lernen, diese Arbeit aus Verantwortungsgefühl zu übernehmen – nicht aus dem Wunsch nach Anerkennung. Care-Arbeit ist kein Statussymbol. Sie ist keine Bühne, auf der man sich als „moderner Mann“ inszenieren muss. Sie ist einfach Teil der Verantwortung, die man als Partner und Elternteil trägt.

Was wir alle daraus lernen können:
Echte Gleichberechtigung entsteht, wenn wir Care-Arbeit aus der Ecke der „Selbstverständlichkeit für Frauen“ und der „Heldentat für Männer“ herausholen.

  • Für Frauen: Es muss sichtbar werden, wie viel sie leisten – ohne dass sie dafür belächelt oder kritisiert werden.
  • Für Männer: Es ist an der Zeit, Care-Arbeit als natürlichen Teil des Lebens zu begreifen. Ohne Drama. Ohne Bühne. Ohne Lob.

Denn wenn wir aufhören, Care-Arbeit zu dramatisieren, schaffen wir Raum für das, was wirklich wichtig ist: Ein Zusammenleben, das von Gleichberechtigung, Respekt und geteilter Verantwortung geprägt ist.

6. Ein Plädoyer für echte Gleichberechtigung – ohne Drama und Heldenstatus

Niemand braucht Insta-Dads.
Väter, die sich in sozialen Medien inszenieren, weil sie ihr Kind wickeln oder das Abendessen kochen, mögen auf den ersten Blick modern wirken. Doch dieser öffentliche Heldenstatus für Selbstverständlichkeiten zeigt, wie weit wir noch von echter Gleichberechtigung entfernt sind.

Care-Arbeit muss sichtbar gemacht werden

Das größte Problem ist nicht, dass Männer für Care-Arbeit gelobt werden. Das Problem ist, dass Frauen sie leisten und dafür unsichtbar bleiben.

  • Wenn Frauen Kinder erziehen, den Haushalt managen, Termine koordinieren oder emotionale Bedürfnisse auffangen, wird das kaum gesehen.
  • Diese Unsichtbarkeit entwertet ihre Arbeit – nicht nur im Alltag, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich.

Es ist Zeit, das zu ändern:
Care-Arbeit verdient Anerkennung. Nicht als „besondere Leistung“, sondern als zentraler Bestandteil eines funktionierenden Zusammenlebens.

Normalisierung von Vaterschaft und Hausarbeit

Die Normalisierung beginnt damit, dass Männer und Frauen die gleiche Verantwortung übernehmen – ohne Drama, ohne Inszenierung und ohne Heldengeschichten.

  • Männer dürfen lernen, Care-Arbeit als Teil ihrer Identität zu akzeptieren.
    Ein Vater, der sich um seine Kinder kümmert oder den Haushalt schmeißt, tut nichts Außergewöhnliches. Er tut, was notwendig ist. Punkt. Wer Care-Arbeit als gleichwertig zur Erwerbsarbeit betrachtet, braucht keinen Applaus für Verantwortung.
  • Frauen dürfen aufhören, sich schlecht zu fühlen, wenn sie auf ihre Belastung hinweisen.
    Care-Arbeit darf nicht länger selbstverständlich von Frauen erwartet und belächelt werden, wenn sie sichtbar gemacht wird. Es ist kein „Jammern“, sondern ein Aufzeigen von Ungerechtigkeit – und ein Schritt zur Veränderung.

Ein gemeinsames Ziel: Gleichberechtigung ohne Heldenstatus

Wahre Gleichberechtigung entsteht dann, wenn:

  • Beide Seiten Verantwortung übernehmen – ohne Unterschiede zu machen, wer sie leistet.
  • Care-Arbeit genauso sichtbar und wertgeschätzt wird wie Erwerbsarbeit.
  • Niemand Anerkennung für Selbstverständlichkeiten erwartet – und niemand unsichtbar bleibt.

Es geht nicht darum, Care-Arbeit zu glorifizieren oder zu dramatisieren. Es geht darum, sie als Teil des Lebens zu normalisieren. Ohne Podest, ohne Applaus, ohne Heroismus.

Der Weg dorthin ist einfach – aber nicht leicht:

  • Lasst uns aufhören, Männer für alltägliche Aufgaben zu feiern.
  • Lasst uns anfangen, die unsichtbare Arbeit von Frauen sichtbar zu machen.
  • Und vor allem: Lasst uns Care-Arbeit gemeinsam tragen – partnerschaftlich, respektvoll und selbstverständlich.

Denn am Ende braucht niemand Insta-Dads oder Care-Held:innen. Was wir brauchen, sind Menschen, die Verantwortung teilen, ohne ein Drama daraus zu machen. Das ist echte Gleichberechtigung.

Fazit: Kein Applaus für Selbstverständlichkeiten – und das ist gut so

Damals dachte ich, dass ich Anerkennung brauche. Warum? Weil ich unsicher war. Ich wollte Bestätigung dafür, dass ich „das Richtige“ tat, indem ich mich um unser Kind kümmerte und Hausmann war. Bekommen habe ich sie nie. Natürlich nicht.

Denn Care-Arbeit ist weder besonders noch heldenhaft – sie ist einfach normal. Genauso normal, wie es war und ist, dass meine Frau das Geld verdient.

Lasst uns aufhören, Männer dafür zu loben, dass sie ihre Verantwortung übernehmen, statt sie auf ihre Partnerinnen abzuwälzen. Verantwortung zu tragen ist kein Grund für Applaus – sie ist Teil eines gleichberechtigten Miteinanders.

Und vor allem: Lasst uns anfangen, Care-Arbeit unabhängig vom Geschlecht zu wertschätzen. Denn eines ist klar: Care-Arbeit ist notwendig. Sie hält Familien, Beziehungen und unsere Gesellschaft zusammen. Ohne Heldenstatus. Ohne Drama. Ohne unsichtbare Lasten.

Wenn du mehr zu diesen Themen erfahren möchtest, findest du im Buch Sei lieb zu deinen Frauen – oder die Anleitung, kein Idiot zu sein weiterführende Informationen in folgenden Kapiteln:

  • Kapitel 1: Grundlagen – Hier geht es um Empathie, Respekt und Gleichberechtigung im Alltag.
  • Kapitel 3: Männliche Privilegien – Ein tieferer Blick darauf, warum Männer oft unbewusst in Vorteilen leben und wie sich das ändern lässt.
  • Kapitel 5: Empathie und Respekt in der Männerwelt – Wie Männer lernen können, sich in andere hineinzuversetzen und respektvolle Kommunikation zu praktizieren.
  • Kapitel 6: Grenzen setzen und respektieren – Warum persönliche Grenzen wichtig sind und wie man sie in der Praxis achtet.
  • Kapitel 9: Partnerschaft und wertschätzendes Miteinander – Die Säulen einer gesunden, gleichberechtigten Partnerschaft.

Mehr dazu gibt’s in meinem Buch – für Männer, die es ernst meinen. 🚀

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